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    Mauern im Schlamm

    Exakter Unsinn mit Metaphern

    Das passiert, wenn man offenbar nur Virologie, bzw. Gesundheitsökonomie studiert hat. Dann fehlt die humanistische Bildung, was zu sehen ist an der grotesken Unfähigkeit, mit Metaphern überhaupt umgehen zu können. — Dabei sind Modellvorstellungen gerade in den Naturwissenschaften, die ja angeblich nicht reden, sondern nur rechnen, von außerordentlicher Bedeutung.

    Bei diesem irrwitzigen Gestammel über Reifen, Schlammpisten, Berge und Mauern, bleibt nur Ludwig Wittgenstein: “Worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen.”

    Es ist ein Anfängerfehler beim Metaphorisieren, den beide arglos begehen: Es ist zunächst einmal dringend zu vermeiden, etwas Organisches mit etwas Mechanischem gleichzusetzen. Eine solche Übertragung muß schief gehen. Beispiel: Frauen sind wie Blumen, Männer wie Rasenmäher.  — Der Witz entsteht allein durch die Unvereinbarkeit der Metaphern. Und selbstverständlich werden Manche diese Aussage als solche rhetorisch zu nutzen verstehen. Das ist so.
     
    Wer sich auf Metaphern einläßt, sollte schon wissen, was dann geschieht. Wer das nicht kann, ist eigentlich nicht einmal Wissenschaftler, weil die Fähigkeit, sich in und mit Modellen auch allgemein verständlich zu machen, schlichtweg dazu gehört. — Man wird sich nämlich schon fragen, wenn so gestammelt wird, was Drosten und Lauterbach eigentlich wirklich verstehen und verstanden haben, wenn sie so unbeholfen reden und dabei völlig verlassen sind von allen guten Geistern, die in der Sprache wohnen.

    Wenn etwa Einstein sagt: “Gott würfelt nicht”. Dann will er zwar keine Theologie betreiben, sondern “nur” den Universalanspruch der Mathematik behaupten. Dennoch hat er zugleich auch Theologie betrieben, denn wenn Gott überhaupt nicht würfelt, dann wäre er gar kein Thema mehr, nicht nur für die Physik. Also hat er Theologie betrieben und sich deshalb übernommen.

    Das ist das Schöne, Amüsante und für Unberufene auch Bedrohliche beim Metaphorisieren. Man kann förmlich sehen, wie die aus mangelndem Sprachgefühl oder auch, weil nicht zu Ende gedacht worden ist, falsch gewählten Metaphern daraufhin postwendend über den Redner herfallen oder ihm heimtückische Fallen stellen. Nicht selten wird Rednern dann etwas in den Mund legen, was sie gar nicht gesagt haben wollten. Ein berühmtes Beispiel ist die Jenninger–Rede.
     
    Wenn beispielsweise irgendwo die Leitung einer Institution weitergegeben wird, dann gibt es immer diese grotesken Unbeholfenheiten, die zugleich sehr tief blicken lassen. Die bei der “Wachablösung” allseits beliebte Metapher vom “Kapitän eines Schiffes”, also dem “Steuermann”, ist selten schwer beherrschbar. – Daher ist es immer besonders spannend, dabei zu sein, um zu sehen, wann und wie der Schiffbruch solcher Redner kommt, die nicht selten blank ziehen, ohne es zu wollen.
     
    Hinter den Kulissen lassen sich aufgrund der heimtückischen Attacken widerspenstiger Narrative viele der eigentlichen Intentionen, der Selbstzweifel und auch der Anmaßungen ziemlich genau erkennen. Das geschieht unmittelbar dann, sobald eine Metaphorik fadenscheinig wird und aufgesetzt erscheint, also nur benutzt aber nicht auch als solche ernst gemeint werden soll. 
     
    “Benutzen” lassen sich Metaphern schon mal gar nicht. — Das lassen sich die ansonsten so hilfreichen Geister überhaupt nicht bieten, also wenden sie sich gegen den, der sie als Geister rief. Und tatsächlich, wer sich den Sprachgeistern nicht würdig, dankbar und in gewisser Weise auch folgsam erweist, hat auch ansonsten wohl auch noch ganz andere Schwächen. — Und ei den meisten steckt nämlich Hybris dahinter und das fliegt auf, angesichts der Risiken, die die Seefahrt nicht nur metaphorisch nun einmal mit sich bringt. 
     
    Mit Virologie hat das alles nichts zu tun, aber mit Sprache, Kultur, Vernunft und Geist, also mit einem Immunsystem, das von ganz anderer Klasse ist.
     
    Schön ist dieser Beitrag, den ich hier empfehlen möchte deswegen, weil er mir erhebliche Arbeit abnimmt. Ich wollte die sprachliche Unbeholfenheit der Professoren Drosten und Lauterbach immer schon mal aufspießen, weil, wer so schlecht spricht, einfach Spott verdient. — Ich fand es aber irgendwie fies, mir das alles eigens noch einmal anzuhören, um es mit den Mitteln der Glosse dann noch aufzuführen.

    Schön, daß diese Unbeholfenheit hier ineinander geschnitten wurden.
     
     
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    Die Narrative der Metaphern

    Über die Magie der Sprache und die Macht der Bilder 

    Narrative, immer wieder ist von Narrativen die Rede in letzter Zeit. Es ist eigentlich nur ein anderes Wort für eine Metaphorik, wobei das Narrativ scheinbar oder tatsächlich noch etwas Bekenntnishaftes hat, als wäre es ein Glaubensbekenntnisse. Man kann mitunter tatsächlich auch den Begriff “Weltanschauung” einsetzen. — Narrative sind zunächst einmal nichts weiter als Erzählungen, mustergültige Typen von Erzählungen, die wir einsetzen, um etwas zu verdeutlichen aber auch, um andere über den Tisch zu ziehen. 

    Narrative sind Metaphern, also “Übertragungen” von Sinnzusammenhängen, die zumeist mit der Sache eigentlich nicht das geringste zu tun haben. Nur wir stellen die Verknüpfung her, weil wir das Bild verstehen und glauben, wenn es sich mit der Sache auch so verhält, tatsächlich auch die Sache selbst verstehen zu können. — Man muß sich nicht schämen, so schwer von Begriff zu sein. Das ist typisch menschlich und kommt in den härtesten Naturwissenschaften vor.

    Interessanterweise arbeiten gerade die Natur- und Technikwissenschaften, die sich so viel darauf zu Gute halten, daß sie rechnen und nicht reden, mit erstaunlich vielen Metaphern. Wenn Einstein behauptet, “Gott würfelt nicht”, dann will er keine Theologie betreiben, sondern den universellen Anspruch von Mathematik deutlich machen. — Sollte aber der Schöpfer rein gar nicht gewürfelt haben, dann braucht der Physiker gar keinen Gott mehr, dann ginge alles wie von selbst, eben “evolutionär”. Und schon haben wir das nächste hochwissenschaftlich–literarische Bild vom Prozeß natürlicher Genese, wie Darwin es beschrieben hat.

    Interessant ist nun, daß Einstein, obwohl es ihm um Mathematik ging, zugleich auch Theologie betrieben hat, mit diesem Narrativ. Ob er es wollte oder nicht, der Geist dieser von ihm gewählten Formel besteht darauf, daß er auch das habe gesagt haben wollen soll.  Das ist nun der springende Punkt, Metapher unterschieben uns Aussagen, die konsequenterweise aus dem Narrativ folgen, aber sie unterstellen es in der Sache, also Vorsicht!

    Darwin als Affe, eine Anspielung auf seine Evolutionstheorie, die seinerzeit ungeheuerlich erschien. In: The Hornet magazine, 22. März 1871.

    Wer hat nicht immerzu dieses darwinsche Narrativ im Kopf, das zumeist auch falsch verstanden wird. Aber es ist nicht nur schön, sondern vor allem bequem. Man kann sich damit manches erklären, solange man sich genügend kosmische Zeit nimmt. Aber das Narrativ entstammt dem seinerzeit so rasenden Frühkapitalismus. Dieses dauernde Gerede vom Überleben des Stärksten ist typisch deutsch, weil im Original von “to fit in”, also vom Eingepaßtsein gesprochen wird. Es überlebt also unter Selektionsbedingungen genau dasjenige Individuum, das am besten “angepaßt ist”, nämlich an seine Umwelt. — Es ist schön, über Narrative zu verfügen, so weit die Füße tragen. Interessant wird es, wenn sie aber kollabieren. 

    Die Zeit ist nämlich dankbar, verweist sie doch so gern kapitalistisch auf die als Naturzustand beschriebenen Verhältnisse der freien Wildbahn, was angeblich auf die “freie Wirtschaft” und vor allem auf die “freien Märkte”  zutreffen soll. Dabei wird schnell sichtbar, daß es auch Ammenmärchen sind, die gern erzählt werden, wenn mit solchen Narrativen eine unsolidarische Politik des wirtschaftlichen Freibeutertums als “natürlich” legitimiert werden soll. — Ein russischer Anarchist, Fürst Igor Kropotkin, hat ein anderes Narrativ dagegen gesetzt, das auch mit der Darwinschen Evolutionstheorie kompatibel ist, das Prinzip von der “Gegenseitigen Hilfe”, daß sich eben die Beutetiere zusammentun können, um den Habicht abstürzen zu lassen, eben durch Schwarmintelligenz. 

    Nun dürfte klar geworden sein, wie sehr mit Narrativen die Richtlinien der Politik bestimmt werden, durch die Macht der Bilder. Dagegen wiederum kann man sich nur verwahren durch ein wenig humanistische Bildung und durch Metaphorologie. Es macht aber auch Freude, ein solches Bild ernst zu nehmen wie ein Kind, um dann immer weiter zu fragen: Also wenn in der Natur die Zeit reichlich knapp ist wegen der Feinde und der dringend notwendigen Fortpflanzung, wieviel Zeit hat eigentlich eine Orchidee, wenn sie mit einer Innovation herauskommen möchte, um am “Markt” zu bestehen?

    Jean-Baptiste Barla: Flore illustrée de Nice et des Alpes-Maritimes, Iconographie des orchidées. Nice 1868.

    Also, wenn sich eine Orchidee eine Innovation hat einfallen lassen wie die, einen Hummelhintern zu simulieren, nebst dazu passender Pheromone, um Hummelmännchen rasend wild zu machen, so daß sie die Blüte begatten und dabei mißbraucht werden, um Bestäubungsarbeit für die Pflanze zu leisten, dann möchte ich gern wissen, wie lange Zeit die Orchidee hatte, den Hummelhinter doch einigermaßen echt hinzubekommen. Wenigstens fallen die Männchen einmal darauf herein, dann sinkt die Begeisterung statistisch gesehen rapide ab. 

    Genauso verhält sich das mit den Bildern, sie sind wie Zauberkünstler und machen uns was vor. Man sollte aber immer dorthin schauen, wovon man abgelenkt wird durch die Macht der Bilder. Es ist so schön, etwas verstanden zu haben, es ist aber schlimm, auf einem Holzweg zu sein. — Viele derer, die von Narrativen sprechen, meinen vor allem die manipulative Macht, die sie selbst nutzen oder vielleicht auch aufklären helfen. 

    Seit Goethes Zauberlehrling ist es offiziell, daß man die Geister, die man ruft auch wieder loswerden muß. Es ist eine Erfahrung, die jedes Kind macht, daß eine kleine Flamme nur ein wenig Nahrung braucht und schon wächst sie einem über den Kopf. — Man sollte also bei der Wahl der Metaphorik ganz besonders vorsichtig sein. Darum geht es eigentlich, wenn in der Diplomatie so schön verklausuliert von der Suche nach einer “gemeinsamen Gesprächsgrundlage” gesprochen wird, das sind die entscheidenden Narrative.  

    Wenn beispielsweise in der aktuellen Corona–Krise so etwas wie eine “moralische Pflicht” konstatiert wird, sich aus Gründen der “Solidarität” impfen zu lassen, dann steckt ein Narrativ dahinter, das man nicht wirklich teilen muß. Man kann nicht nur, sondern sollte zurückfragen, ob diese, unsere Gesellschaft denn ihrerseits solidarisch ist, oder nicht vielmehr betont lieblos. Nimmt sie denn die Rücksicht auf die Armen und Schwachen, denen es im Verlauf dieser Krise immer schlechter ergeht? Nimmt sie denn Rücksicht auf die Pflegekräfte und nicht vielmehr auf marode Verhältnisse im Gesundheitssystem, die sie selbst zu verantworten hat, als man Kliniken zu Spekulationsobjekten gemacht hat? 

    Der Zaubertrick, den man durchschauen sollte, liegt darin, bewußt die Unterschiede zu verdecken zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft kann und darf Solidarität ihren Mitgliedern abverlangen und sogar erwarten, eine Gesellschaft wie die unsere, kann es, je weniger sie vom Geist der Gemeinschaft beseelt ist, umso weniger. So erklären sich auch die Unterschiede im Staatsvertrauen. Die Nordländer sind nie so verführt, betrogen und mißbraucht worden von ihrem eigenen Staat wie die Deutschen. Da wäre mal Abbitte zu leisten. Die Sonntagsreden an den Kranzabwurfstellen der Republik sind inzwischen nicht mehr statthaft. Wer will das denn noch glauben, daß hier in unserem Lande die Grundrechte gewahrt werden, wenn sie bei der ersten Belastung ausgesetzt werden?

    Ganz anders, wenn es sich um wirkliche Gemeinschaft handelt. In der Afrikanischen Philosophie ist „Ubuntu“, der afrikanische Glaube daran, daß wir das, was wir sind, den Menschen um uns herum verdanken. — Während es hier bei uns nur eine Leihmutter, eine Nanny und eine Privatschule braucht, um ein Kind zu ‘erziehen’, nehmen Afrikaner bekanntlich ganze Dörfer dazu.

    So gesehen ist der ‘freie’ Westen einfach nur geistig–soziales Entwicklungsland. Wir sollten daher die Philosophie der Afrikaner endlich zur Kenntnis nehmen, dann würde es auch bei uns mit der Solidarität funktionieren. — Nur Gemeinschaften können Solidarität zu erwarten, Gesellschaften mitnichten.

    Daher steht in solchen Kulturen der Ausgang eines Rituals oftmals von vornherein fest, Beschlüsse können nur einstimmig gefaßt werden. Alles wird getan, auf daß bloß keine Antagonismen auftreten. Es soll und darf keine Verlierer geben. — Ein in diesem Zusammenhang beliebtes und instruktives Beispiel stammt von dem Ethnologen K. E. Read:
    “Als die Gahuku–Gama auf Neuguinea anfingen, Fußball zu spielen, konnten zwei gegnerische Klans tagelang um den Ausgang spielen — so lange, wie es notwendig war, um ein Unentschieden zu erzielen”. (K. E. Read: Leadership and Consensus in a New Guinea Society. In: American Anthropologist, 1959, N.S., 61 (3). S. 428, zit. n.: Heinz-Ulrich Nennen: Ökologie im Diskurs. Zu Grundfragen der Anthropologie und Ökologie und zur Ethik der Wissenschaften. Mit einem Geleitwort von Dieter Birnbacher; Opladen 1991. S. 51.)

    ‘Gewinnen’ bedeutet im Symbolismus solcher Kulturen ‘töten’. — Ich frage mich da immer: Wer sind eigentlich die Primitiven? 

    Metaphern sind fremde, eigensinnige aber auch hilfreiche Geister der Sinnstiftung, auf die wir angewiesen sind, weil wir ansonsten “nur Bahnhof verstehen”, wie jene Soldaten, die nur nach Hause wollten, also “Bahnhof” hören wollten. — Da wir nun einmal die Sachen nicht gleich durchschauen, sondern nur mit übertragenen Bildern indirekt deuten können, müssen wir uns behelfen mit Sprachbildern, Dialogen und Diskursen. 

    Der Jargon der Diplomaten in seiner trockenen, übersachlichen, minutiösen Kleinkariertheit läßt durchblicken, worauf es ankommt, wenn man sich auf eine “Formel” als “gemeinsame Gesprächsgrundlage” einigt, so daß bald die “Verhandlungen auf dieser Grundlage” beginnen können. — Die Wahl des Narrativs ist aber auch wie ein Gottesurteil, denn niemand weiß im Voraus genau, ob die gewählte Metapher für die eigenen Interessen die notwendigen Gelegenheiten bieten wird, um möglichst viel herausverhandeln zu können für die eigenen Seite. 

    Unsere Sprache ist ein Wunderwerk, bei dem wir uns zu behelfen wissen, um Sachen zur Sprache zu bringen, für die die Worte versagen. Es hat etwas mit Magie zu tun, dann zu sehen, wie ein Bild die Imagination augenblicklich gefangen nimmt und alles glaubt, urplötzlich zu verstehen. Dabei versteht man vor allem das Bild und glaubt, damit auch in der Sache weiterzukommen. Vorsicht!

    Wenn eine Metaphorik im Verlauf eines Gesprächs aus dem Ruder läuft und immer mehr in eine unerwünschte, nicht mehr konstruktive Richtung verläuft, dann sollte man das sagen und daraufhin vorschlagen, gemeinsam die Richtung zu verändern. Es ist wie im Netzplan einer U-Bahn. Wichtig ist, sich zuvor möglichst offen und höflich und dankbar von der nunmehr zu verlassenden metaphorischen “Linie” zu verabschieden.

    Sie muß offiziell verabschiedet werden, wie ein Geist, der ansonsten ungemütlich werden könnte. Auch kommen Zuhörer, die nicht ganz bei der Sache sind, mit abstrusen Rückfragen, worauf ein heilloses Durcheinander entstehen kann. — Daher trifft das Bild vom “Mitnehmen” solche Prozesse der Verständigung über Verstehen so gut. 

    Immerhin tut man sich da mit mächtigen Geistern zusammen, die erhebliche Probleme bereiten können und schnell eine gewisse Eitelkeit an den Tag legen, wenn sie nicht gewürdigt werden. Metaphern wollen im Geiste ihres Narrativ gewürdigt werden, es darf und kann daher nur das gesagt werden, was diesem Geist entspricht. — Wenn das aber beim besten Willen nicht geht, muß die Metaphorik ausgetauscht werden. Aber die anderen müssen dabei mitgehen, ansonsten wird man unter Umständen das Nachsehen haben. 

    Caspar David Friedrich: Das Eismeer (1823f.)

    Wer sich auf eine Metaphorik einläßt, verspricht sich etwas davon, also einen Gewinn von Verstehen, einen Zugewinn an Sinn oder vielleicht auch die Überzeugung Andersdenkender. Aber das kann alles scheitern. Es gibt daher zwei Metaphern, die unser Sein darstellen, die Metapher vom Theater und die von der Seefahrt. Dabei können die Planken, die beim Untergang bleiben, zu den Brettern werden, die die Welt bedeuten. 

    Narrative zu benutzen, ist abenteuerlich wie eine Seefahrt aufs offene Meer, was zu anderen Zeiten noch viel riskanter war. Die Risiken beim Metaphorisieren sind derweil nicht etwa kleiner, sondern eher größer geworden, weil unsere Ansprüche auf Begründungen selbst größer geworden sind.

    Wenn ein Redner seinen Schiffbruch erleidet, dann vermerkt das Protokoll im Bundestag darüber eine “allgemeine Heiterkeit” vor allem dann, wenn einer am Geist einer selbst gewählten Metaphorik scheitert, wie etwa der FDP–Abgeordnete Günter Verheugen, der eine etwas degoutante Vorlage von Joschka Fischer versuchte, in einen Treffer zu verwandeln aber ein Eigentor schießt: 

    “Immerhin gelingt es auch Günter Verheugen in seiner Rede, Kohl und das Hohe Haus zu amüsieren. Verheugen spricht kritisch von einem ‘Kanzler des Stillstands, der in sich ruht wie ein chinesischer Buddha’. Kohl ruft dazwischen: ‘Gefällt mir gut.’ Verheugen fassungslos: ‘Gefällt Ihnen gut?'” Man sieht, wie Kohl augenblicklich von der Regierungsbank zum Telefonhörer greift. 

    Minuten später erläutert Kohl, “warum er den Vergleich mit Buddha so schätze. Von der Regierungsbank aus habe er sich telefonisch informiert und aus einem Lexikon erfahren, daß Buddha als Persönlichkeit ‘sich durch Lebensernst, Sinn für das Wirkliche und Nötige, Mäßigung und Ausdauer’ ausgezeichnet habe. Jetzt muß selbst Verheugen lachen. Kohl bedankt sich für soviel Lob von der SPD und sagt: ‘So hat mich meine Partei nie verwöhnt.’ Was Buddhas Eigenschaften angehe, so sei er bereit, ‘all das zu akzeptieren’. Eine Einschränkung macht der Pfälzer jedoch: ‘Mit der Mäßigung hab’ ich gewisse Probleme, die teile ich mit dem Vorsitzenden der Grünen-Fraktion, eine der wenigen Gemeinsamkeiten. Kohl vergleicht sich im Parlament mit Joschka Fischer.” (Martin S. Lambeck: “So hat mich meine Partei nie verwöhnt”. Schlagabtausch mit Respekt: “Buddha” Kohl zwischen Fischers Häme und Verheugens “Lob”. In: Die Welt, 9.11.1995.)

    Die Titanic, die Metapher aller Schiffsmetaphern, als Inbegriff von Hybris und als Demütigung des modernen Größenwahns.

    Es gibt einige wirklich schillernde Bespiele für die Eigendynamik der Narrative und den Schiffbruch von Rednern. — Eine Metaphorik hat eben ihr Narrativ und dem muß man folgen. Wer einen solchen Geist ruft, wird sich nolens volens auf das Schicksal einlassen müssen, unmittelbar darauf nicht mehr wirklich der Herr des Verfahrens zu sein, so auch bei einer Begebenheit, die der Münsteraner Philosoph Hans Blumenberg erwähnt.

    “In der Haushaltsdebatte schildert ein Abgeordneter der Regierungskoalition den festen Kurs, den das Staatsschiff dank der koalierten Besatzung habe, und vergleicht die Opposition mit unruhigen Passagieren, die einen Nachholkurs in Navigation nehmen müßten, um eines Tages wieder auf die Kommandobrücke zu kommen.
    Zwischenruf der Opposition: ›Wir sitzen nicht in einem
    Boot.‹ —
    Redner: ›Ich spreche von dem Schiff unseres Landes, und
    dazu gehören Sie doch!‹ —
    Zwischenruf Wehner: ›Er ist ein blinder Passagier!‹ —
    Zwischenruf Opposition: ›Sie sitzen bald auf Grund, wenn
    Sie so weitermachen.‹ —
    Als der Redner seinen Vortrag mit nochmaligem Gebrauch
    der Metapher schließt: ›Weil dieses Schiff den richtigen
    Kurs hat und damit es weiterhin gute Fahrt macht …,‹
    bekommt er beim Abgang als letzten Ruf:
    ›Und Sie sind der Klabautermann.‹”

    (Hans Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher. Frankfurt am Main 1979. Anm. 5, S. 14.)

    Die Wahl der Metapher ist entscheidend, je nachdem erhält man Zuspruch vom Geist einer Metapher und ihrem Narrativ oder aber eine Abfuhr. Dabei haben wir die Wahl zwischen Hafen und offener See nicht wirklich. Betrachtet aus der unmenschlichen Langeweile im Paradiesgarten war die neue App vom Baum der Erkenntnis, also selbstständig zwischen dem Guten und dem Bösen unterscheiden zu können, einfach zu verlockend.

    Aber auch damals schon wurde das Kleingedruckte im Paradiesvertrag zu schnell weggeklickt, denn dort steht, daß es unendlich lang dauern könnte, bis Menschen zu Göttern werden, mit allem, was dazu gehört nicht nur an Mächten, sondern auch an Kompetenzen.

    Einstweilen sollte gut überlegt werden, ob man nun die “Ehe als Hafen” mit paradiesischer Langeweile betrachtet oder eher als “Seefahrt” mit der Aussicht auf Katastrophen. Der in allem sehr zurückhaltende Caspar David Friedrich hat lieber ein Seestück gewählt, denn er mochte sich erst spät überhaupt dazu entschließen.
    Caspar David Friedrich und Caroline Bommer verlobten sich im Jahr 1816. Mit seiner Berufung in die Dresdner Akademie im Dezember 1816 bekam der Maler 150 Taler Gehalt und konnte sich somit eine Familie leisten. Er war damals 42 Jahre alt.

    Bei dem Paar handelt es sich um den Künstler selbst und seine junge Frau Caroline Bommer. Friedrich galt zeitlebens als ,,menschenscheuer Melancholiker“. Umso größer war das Erstaunen seiner Freunde und Bekannten, als der 44–Jährige am 21. Januar 1818 die 19 Jahre jüngere Caroline Bommer heiratete. 

    Bei dem im Bild dargestellten Paar handelt es sich um den Künstler selbst und seine junge Frau Caroline Bommer. Die Hochzeit fand am 21. Januar 1818 in der Dresdner Kreuzkirche statt, ohne Friedrichs Verwandtschaft. — Der Ehemann setzte seine Verwandten erst eine Woche nach der Eheschließung per Brief darüber in Kenntnis, nachdem seine Frau ihn dazu gedrängt hatte. In dem Brief offenbarte er auch seine Anschauungen über den neuen Zustand der Ehe:

    „… meine Frau fängt bereits an, unruhig zu werden und hat mich wiederholt malen erinnert zu schreiben; denn auch sie will schreiben um mit ihren neuen Brüdern bekannter zu werden. Es ist doch ein schnurrig Ding wenn man eine Frau hat, schnurrig ist wenn man eine Wirthschaft hat, sei sie auch noch so klein; schnurrig ist wenn meine Frau mir Mittags zu Tische zu kommen einladet. Und endlich ist es schnurrig wenn ich jetzt des Abends fein zu Hause bleibe, und nicht wie sonst im Freien umher laufe. Auch ist es mir gar schnurrig daß alles was ich jetzt unternehme immer mit Rücksicht auf meine Frau geschieht und geschehen muß.“ (Zit. n.: Wikipedia: Caroline Friedrich.)

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    Worauf es wirklich ankommt.

    Vortrag: Bildungshaus Batschuns, Österreich, 11.06.2021

    In einer Krise zeigt sich, wer wir sind und worauf wir uns wirklich verlassen können und wie stabil die Verhältnisse wirklich sind.  Ob wir es wollen oder nicht:  Krisen sind Bewährungsproben, dann zeigt sich, ob wir uns anpassen, verändern oder vielleicht sogar über uns hinauswachsen können.

    Reden stärkt, vor allem Verstehen.  Angst schwächt, ebenso wie Hetzkampagnen, das alles verwirrt und schmälert die Kräfte.  – Neue Stärken entstehen, sobald wir lähmende Ängste behutsam überwinden.

    Eine Krise kann vorübergehend sein, im psychologischen Sinne sind Krisen jedoch nur der Anfang umfassender Wandlungsprozesse. – In Märchen und Mythen macht die Krise den Anfang, dann folgt zunächst die Katharsis und darauf die Transformation.

    Vor allem für die Pädagogik zeigen die Erfahrungen der letzten 15 Monate, daß die Welt von Menschen gemacht und zu verantworten ist. Auch die Menschenbilder, die Unkultur öffentlicher Debatten, der Rückfall in fast religiöse Ängste, das alles gibt zu denken.

    Diese Welt, so wie sie ist, hat keine Zukunft. Dabei ist die Klimafrage nur wie die Spitze eines Eisbergs. Wichtig wäre es, endlich auch in der Politik ein positives Menschenbild an den Tag zu legen, wie es in Pädagogik und Psychologie schon seit den 70er Jahren üblich ist. Staat, Politik und Behörden gehen aber immer noch vom Obrigkeitsstaat aus, wenn sie meinen, mündige Menschen vor sich selbst schützen zu müssen.

    Das Bild vom Guten Hirten und seiner Herde ist obsolet, es sollte den vielen Autokraten überlassen werden. Der in der Corona-Krise erstarkte Staat wird bleiben. Daher müssen die Gegengewichte gestärkt werden, also brauchen wir mehr Demokratie und mehr Gerichtshöfe, an denen sich Staat und Politik rechtfertigen müssen.

    Das wird aber alles nicht reichen, wenn man bedenkt, was eigentlich alles inzwischen zur Neige geht. Allerdings war die Zivilisation, seit sie vor 12.000 Jahren entstand, immer schon eine instabile Angelegenheit.

    Vor allem jene Entwicklungen, auf die Pädagogik, Psychologie und Philosophie besonders Wert legen, sind überhaupt nicht mitgekommen. –  Das Fehlende nachzuholen ist und bleibt eine Aufgabe, in der es vor allem sehr viel sehr professionelle Pädagogik braucht. Schließlich ist jeder Mensch einzigartig, darin liegen Hoffnungen, nur niemanden zu verlieren.