Heinz-Ulrich Nennen | www.nennen-online.de

ZeitGeister | Philosophische Praxis

Akademie für Philosophische Psychologie

Tag: Empathie

LIVE! music, life et cetera…

Heming­way Lounge | Uhland­str. 26 | 76135 Karlsruhe

LIVE! . music, life et cetera . 

Talk mit Prof. Dr. Heinz–Ulrich Nen­nen: “Von Frei­heits­lie­be und der Sehn­sucht nach Kontrolle” .

Ull­rich Eiden­mül­ler im Talk mit Prof. Dr. Heinz–Ulrich Nennen

Was hat das Corona–Virus mit uns gemacht? Wie weit hat es die Welt ver­än­dert und wird sie noch ver­än­dern? Wel­che Tie­fen hat das Virus in der Gesell­schaft bloß­ge­legt?—Könn­te es zu sol­chen Fra­gen am Beginn der „Rück­kehr der Frei­heit“ einen kom­pe­ten­te­ren Gesprächs­part­ner geben als ein Pro­fes­sor für Phi­lo­so­phie an der Fakul­tät für Gei­stes- und Sozi­al­wis­sen­schaf­ten am Karls­ru­her Insti­tut für Tech­no­lo­gie (KIT)?

Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen Gesprächs­part­ner von Ull­rich Eiden­mül­ler beim tra­di­tio­nel­len Talk in der Heming­way Lounge sein. Der Phi­lo­soph, der sei­ne Zeitgeist–Analysen seit Jah­ren aus sei­nem Wohn­mo­bil am Kanal in Mün­ster schreibt, ana­ly­siert die Aus­wir­kun­gen auf das täg­li­che Leben, den „Ver­lust an Nähe, den wir zu ver­kraf­ten haben, die Unkul­tur der Ver­un­glimp­fung Anders­den­ken­der, das frü­he Schlie­ßen der gesell­schaft­li­chen Dis­kur­se schon im März 2020“.

Freu­en Sie sich auf ein sprit­zi­ges und tief­ge­hen­des Gespräch in der wie­der­eröff­ne­ten Lounge, unter­malt wie immer von der Musik, die Prof. Dr. Heinz–Ulrich Nen­nen mitbringt.


Vorlesungen und Seminare


Philosoph mit Wohnmobil

Ein Karlsruher Hochschul–Dozent
studiert an Münsters Hafen das Leben

Die­ser Mann lehrt als Dozent an der Uni­ver­si­tät im baden-würt­tem­ber­gi­schen Karls­ru­he. Aber den Phi­lo­so­phen zieht es immer wie­der ins west­fä­li­sche Mün­ster. Dort lebt Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen in einem Wohn­mo­bil direkt am Ufer des alten Indu­strie­ha­fens. „Sonn­tags gehen die Men­schen hier anders“, sagt er. Dann fla­nier­ten sie – wäh­rend sie in der Woche hetz­ten. Aber das ist nur ein Bei­spiel des Hafen­le­bens, das Nen­nens Vor­le­sun­gen schreibt.

Mor­gens, so gegen fünf Uhr, da fin­det er es hier am schön­sten. „Wenn sich der Hafen im glat­ten, stil­len Was­ser spie­gelt“, erzählt er ver­träumt, „da erlebt man die­sen Mikro­kos­mos gleich dop­pelt.“ In die­se „klei­ne eige­ne Welt“ zieht sich Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen seit fast vier Jah­ren ger­ne zurück. Er hat Fami­lie und Woh­nung in Unna und einen Lehr­auf­trag in Karls­ru­he. Aber sein Zuhau­se steht hier: Ein ame­ri­ka­ni­scher „Win­ne­bago“.

Ein Wohn­wa­gen Bau­jahr 1988, 11,20 Meter lang, geparkt direkt am Kanal­ufer gegen­über der Hafen-Gastro­no­mie. „Gegen halb sechs bringt die erste Wel­le das Leben zurück. Ganz lang­sam kommt sie her­ein. Man kann zuschau­en, wie sie geht.“ Es klingt fast lyrisch, wie er die Wor­te poin­tiert betont.

Dabei mag man eine gewis­se Sehn­sucht nach Stil­le in sei­nen dunk­len, stets offe­nen Augen erken­nen. Aber Nen­nen ist kei­ner, der das Leben scheut. Den Tag über war er auf einer Phi­lo­so­phen-Tagung in Essen. Erst seit weni­gen Minu­ten ist er zuhau­se. Schick in schwarz geklei­det sitzt er am Schreib­tisch. Auf dem Fuß­bo­den Lami­nat, an den Wän­den Schrän­ke in Eiche mas­siv. „Hier füh­le ich mich daheim“, sagt er, kocht sofort einen Tee und erzählt.

Auf dem Tisch steht noch das Rot­wein­glas, direkt dane­ben die aus­ge­brann­ten Tee­lich­ter von ver­gan­ge­ner Nacht. An den Wän­den hän­gen gol­di­ge Lam­pen­hal­ter mit Falt­schirm­chen. Schnell erkennt man: Nen­nen ist kein Cam­per. Auch nicht der Typ, der roman­tisch am Lager­feu­er grillt. „Ich will auf kei­nen Luxus ver­zich­ten“, sagt er. Nen­nen ist viel­mehr ein Feld­for­scher mit mobi­lem Wohn­bü­ro – aus­ge­stat­tet mit UMTS-Lap­top, Navi­ga­ti­ons-Touch­screen, Schlaf­zim­mer, Dusche und eige­nem Strom­ge­ne­ra­tor. Außer Spül- und Wasch­ma­schi­ne ist alles an Bord. Nen­nen: „Ich kann hier zehn Tage aut­ark leben. Dann sind die Wasser‑, Gas- und Ben­zin­tanks leer.“

Früh tauch­te der Rhei­nen­ser in Mün­ster auf, ging hier zur Schu­le, stu­dier­te und pro­mo­vier­te vor knapp 20 Jah­ren – „mit sum­ma cum lau­de“ – an der phi­lo­so­phi­schen Fakul­tät. Er dach­te, die Arbeits­welt reißt sich um ihn, wenn er sich bewirbt. Aber sie dreh­te sich auch ohne ihn wei­ter. Die erste Zeit war er arbeits­los, dann unter­rich­te­te er ange­hen­de Poli­zi­sten in Ethik und forsch­te für zehn Jah­re in einem Stutt­gar­ter Insti­tut rund um die Fol­gen der Atomkraft.

Schließ­lich habi­li­tier­te er über die Slo­ter­di­jk-Debat­te. Nen­nen: „Das war Phi­lo­so­phie in Echt­zeit. Ich habe alles aus dem Moment her­aus ana­ly­siert.“ Die­ses Prin­zip hat er sich bis heu­te zu eigen gemacht. Sei­ne Vor­le­sun­gen an der Uni Karls­ru­he schreibt er jede Woche neu – oft nachts am mün­ster­schen Hafen­ufer. Sei­ne The­men: „Empa­thie“, „Psy­che“ oder „Selbst­ver­stän­di­gung“.

Zwi­schen­durch grü­ßen Spa­zier­gän­ger und Hafen­mei­ster. Die Leu­te hier ken­nen ihn – und er kennt sie. Aus dem Wohn­wa­gen beob­ach­tet er sie, stu­diert sie und fin­det den Stoff für sei­ne Stu­den­ten. Nen­nen: „Der Hafen ist unbe­re­chen­bar. Mal wacht man auf, da ist Tri­ath­lon. Mal kommt doch noch ein Güter­zug.“ Und mal erhö­hen die Tanz­jün­ger im Hea­ven den Beat. Das erin­ne­re ihn immer an Kin­der von Fließ­band­ar­bei­tern: „Sie suchen das Band, viel­leicht auch einen Lebens­rhyth­mus. Um drei Uhr wird immer der Arbeits­takt erhöht.“

Nicht nur bei den Tän­zern – auch im Wohn­wa­gen: „Ich brau­che Rum­mel. Der inspi­riert mich.“ Nach­denk­lich stützt er den Kopf auf die Hand und krault durch sei­nen ergrau­ten Bart. Da ist sie, die näch­ste Idee.

Erschie­nen in: Mün­ster­sche Zei­tung (20. Sep­tem­ber 2008)